Energieschwamm: Das Gebäude als Energie­schwamm - Strom rein - Wärme raus

Ziel war die Entwicklung und Demonstration in Praxistests von innovativen, dynamischen Regelungskonzepten in Kombination mit (Außenluft-) Wärmepumpen, welche durch Einzelraumregelung mit Überhöhungen bzw. Absenkungen von Raumtemperaturen zu einer bestmöglichen Wärme­speicherung von Strom (PV-Eigenverbrauch bzw. Netz-Überschussstrom) in der Gebäudemasse von Mehrfamilien-Gebäuden bei bestmöglichen aber auch variablen Komfortparametern führen. Wichtige Faktoren und Motivatoren für die Nutzerakzeptanz sollen ermittelt werden, als Basis für die Entwicklung von potentiell erfolgreichen Geschäftsmodellen.

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen (Jänner 2023)

Ausgangssituation, Inhalte und Ergebnisse

Die Nutzung der Gebäudemasse und im Besonderen der Fußböden bzw. Zwischendecken als thermischen Energiespeicher gewinnt zunehmend an Bedeutung, besonders getrieben durch den Trend zu dezentralen Wärmeversorgungssystemen auf Basis von Solarenergie (Solarthermie, Photovoltaik- bzw. Windstrom) welche unabhängig vom Bedarf ihre Energie liefert und daher in irgendeiner Form gespeichert werden muss. Zusätzlich kommen deutlich volatilere Strompreise auf den Markt, was ebenfalls zunehmend den Bedarf an Energiespeicherung verstärkt. Während jegliche Art von extra installiertem Speicher (Wasserspeicher, Batterie) teils erhebliche Kosten und Platzbedarf verursacht, steht das Gebäude für sich sozusagen kostenlos zur Verfügung und muss „nur" aktiviert werden.

Die Problematik liegt im Wesentlichen in der Frage des Wohnkomforts (zu hohe/zu niedrige Temperaturen wegen Überwärmung/Unterkühlung) und potentiell erhöhter Wärmeverluste des Gebäudes. Die Lösung liegt darin, mit der richtigen Leistung, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, die richtige Menge Energie einzuspeichern bei gleichzeitiger Nutzung der dämpfenden Wirkung der Gebäude-Speichermassen. Gleichzeitig muss das Wärmepumpen-Heizsystem möglichst effizient sein, die Wärme also bei möglichst niedrigen Temperaturen erzeugt werden. Dies gilt nicht nur für die Heizwärme, sondern hinsichtlich immer weniger Heizwärme verbrauchender Gebäude umso mehr für die Warmwasserbereitung.

Ziel des Projektes ist die Entwicklung und der Test von innovativen aber einfachen Regelungskonzepten in Kombination mit Außenluft-Wärmepumpen, welche durch (Einzel)Raumregelung in Kombination mit Überhöhungen bzw. Absenkungen von Raumtemperaturen bzw. Regelung der Heizkreise (Vorlauftemperatur bzw. Massenstrom) zu einer bestmöglichen effizienten Wärmespeicherung von Strom (PV-Eigenverbrauch bzw. Netz-Überschussstrom) in der Gebäudemasse von Wohngebäuden (Einfamilien-/Mehrfamiliengebäude) bei bestmöglichen aber auch variablen Komfortparametern führen.

Als wesentlicher Teil der Arbeiten im Projekt Energieschwamm wurden in der Simulationsumgebung TRNSYS detaillierte Simulationsmodelle für die Wärmepumpe mit Enthitzer bzw. interner Umschaltung zur gleichzeitigen Kühlung und Heizung, die Gebäude als Ein- bzw. Mehrfamilienhäuser mit raumweiser Zonierung sowie entsprechende Hydrauliksysteme für Ein- bzw. Mehrfamilienhäuser für detaillierte Simulationsstudien mit vielfältigen Variationsmöglichkeiten erstellt.

Damit wurden letztlich über 300 Simulationsvarianten für das Einfamilienhaus bzw. das Mehrfamilienhaus erstellt und ausgewertet, aus denen ein Auszug zur Darstellung der Kernaussagen in diesem Bericht präsentiert wird.

Labormessungen besonderer Betriebssituationen wurden ebenfalls mit der Wärmepumpe durchgeführt, um die Simulationsmodelle realitätsnah modellieren und parametrieren zu können. Diese Erfahrungen wurden ergänzt durch interne Daten der in den Wärmepumpen- bzw. Gebäuderegelungen integrierten Monitoring Systemen der Testgebäude, was besonders das dynamische Verhalten bei Wechsel von Betriebssituationen im realen Betrieb betrifft.

Praxistests in bewohnten Testgebäuden konnten genutzt werden, um die Auswirkungen der Regelkonzepte mit den Simulationsergebnissen abzugleichen bzw. betriebstechnische praxisbezogene Problemstellungen zu erkennen und in die Konzeptentwicklung zu integrieren. Auch Erkenntnisse zur Nutzer:innenakzeptanz und dem Systemverständnis aller Beteiligten (Bewohner:innen, Betreiber:innen, Installateur:innen, Systemlieferant:innen) aus den Praxistests in den realen Gebäuden sind eine wichtige Basisinformation für zukünftige Umsetzungspotentiale bzw. -strategien.

Grundsätzlich sei festgehalten: Die Erkenntnisse aus diesem Projekt basieren auf sehr vielen Annahmen für spezifische Randbedingungen und können daher nicht generalisiert für andere Fälle quantitativ zu gleichen Ergebnissen führen. Die Ergebnisse können aber zeigen, in welche Richtung es gehen kann und welche Größenordnungen möglich sind.

Für eine PV-Luft-Wärmepumpenanlage in einem als Niedrigenergiehaus konzipierten Einfamilienhaus kann unter Nutzung eines Standard-Pufferspeichers und einer Gebäudemassenaktivierung via Fußbodenheizung im Vergleich zu einer PV-Luft-Wärmepumpenanlage ohne Überwärmungskonzept der Netzstromverbrauch halbiert werden. Es wurden verschiedene Randbedingungen und Parameter untersucht, die zu dem Ergebnis führten, dass bereits die Standard-Estrichdicke (0,08 m) einer Fußbodenheizung mit um 3 Grad erhöhter Raumheizungsvorlauftemperatur bei PV-Überhitzung zu einer zusätzlichen Betriebskosteneinsparung von ca. 30% gegenüber einem Standard-Regelungskonzept führt, also ohne Extrakosten für die thermische Batterie „Gebäudemasse".

Der PV-Eigenverbrauch allein für den Wärmepumpenbetrieb kann vervierfacht werden. Bezieht man den Haushaltsstromverbrauch für die gesamte Anlage mit ein, kann der PV-Eigenverbrauch immer noch verdoppelt werden.

Obwohl die Raumluft-Solltemperatur als Vorgabe während der PV-Überhitzung von 21°C auf 24°C erhöht wird, steigt die letztlich resultierende Raumlufttemperatur als Mittelwert in der Winterperiode nur um ca. 0,3 Grad an. Die Tagesspitzentemperaturen steigen Dank der Verzögerung durch die thermische Masse kaum an, aber der Zeitraum vom späten Nachmittag bis (nach) Mitternacht bleibt nach einem sonnigen Tag etwa 0,5 Grad bis maximal 1 Grad höher.

Die erhöhten Wärmeverluste des Gebäudes mit PV-Überwärmungskonzept liegen gemäß den Simulationsergebnissen mit 6 bis 12% höherem Stromverbrauch deutlich unter jenen, die elektrische Speicher wie Batterien oder auch großtechnische Pumpspeicherkraftwerke als elektrische Verluste aufweisen.

Der Aufwand zur Umsetzung eines solchen PV-Überwärmungskonzeptes ist sehr klein ist (wenn die Regelung die paar wenigen grundsätzlichen Funktionalitäten einmal implementiert hat), da letztlich ja nur die Regelung entsprechend parametriert werden muss. Der wesentlichste Einflussparameter liegt in der Psyche beim Nutzer selbst, der den „Mut" haben muss sich darauf einzulassen „ungewöhnliche" Parametereinstellungen wie eine um 3 Grad höhere Soll-Raumtemperatur für den PV-Überwärmungsmodus als die sonst übliche Komforttemperatur zuzulassen. Das Risiko ist bestenfalls ein paar Tage „zu warm" und eine Korrektur oder gar der „Rückbau" der Heizung auf ein Standard-System beschränkt sich ja auf das Ändern von ein paar Parametern in der Regelung.

Wichtig wäre für die nahe Zukunft die Verbreitung dieses Konzeptes besonders im Schulungs- und Ausbildungsbereich sowie die Umsetzung und wissenschaftliche Begleitung und Auswertung von guten Demonstrationsobjekten über mehrere Jahre. Das Potential sollte mit der dringenden allgemeinen gesellschaftlichen Notwendigkeit zur thermischen Sanierung der Wohngebäude, dem Umstieg von fossil betriebenen Wärmeerzeugern zu mit erneuerbarem Strom betriebenen Wärmepumpen sowie der Installation von PV-Anlagen eigentlich sehr groß sein.

Publikationen

Energieschwamm: Das Gebäude als Energie­schwamm - Strom rein - Wärme raus

Ziel war die Entwicklung und Demonstration in Praxistests von innovativen, dynamischen Regelungskonzepten in Kombination mit (Außenluft-) Wärmepumpen, welche durch Einzelraumregelung mit Überhöhungen bzw. Absenkungen von Raumtemperaturen zu einer bestmöglichen Wärme­speicherung von Strom (PV-Eigenverbrauch bzw. Netz-Überschussstrom) in der Gebäudemasse von Mehrfamilien-Gebäuden bei bestmöglichen aber auch variablen Komfortparametern führen. Wichtige Faktoren und Motivatoren für die Nutzerakzeptanz sollen ermittelt werden, als Basis für die Entwicklung von potentiell erfolgreichen Geschäftsmodellen. Schriftenreihe 70/2023
A. Thür, A. Heinz, R. Ungerböck, W. Pink, K. Fuetsch, B. Schett
Herausgeber: BMK
Deutsch, 69 Seiten

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Projektbeteiligte

Projektleitung

Universität Innsbruck, Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen (UIBK)

Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

  • Technische Universität Graz, Institut für Wärmetechnik (IWT)
  • iDM Energiesysteme GmbH (IDM)
  • Pink GmbH Energie- und Speichertechnik (Pink)
  • Grazer ENERGIEAgentur GmbH (GEA)

Kontaktadresse

Dipl.Ing. Alexander Thür, PhD
Technikerstrasse 13
A-6020 Innsbruck
Tel.: +43 (512) 507 - 63653
E-Mail: alexander.thuer@uibk.ac.at
Web: www.uibk.ac.at/bauphysik