Energiesparprojekte und konventioneller Wohnbau - eine Evaluation

NutzerInnen-Evaluation nach Bezug (Post Occupancy Evaluation) von vier Energiesparprojekten und vier konventionellen Wohnbauten in der Stadt Salzburg (Kooperationsprojekt mit Arbeiterkammer Salzburg und Landeswohnbauforschung)

Inhaltsbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Aufgabenstellung

"Haus der Zukunft" realisierte die vorliegende Untersuchung in der Themengruppe "NutzerInnen-Studien" als Schirmprojekt "NutzerInnenverhalten und -bewertung nachhaltiger Wohnkonzepte" gemeinsam mit zwei weiteren Projekten von Mag. Dr. Michael Ornetzeder, Soziologe am Zentrum für Soziale Innovation Wien, und DI Dr. Karin Stieldorf, Architektin am Institut für Hochbau der TU Wien. Die Grundlagenforschung kooperierte besonders bei Literatursuche und Fragebogenentwicklung. Gemeinsame Projektpräsentationen fanden an der TU Wien am 10.November 2000 und im SIR Salzburg am 7.Dezember 2000 statt.

Wohnen und Energiesparen ist zu Zeiten instabiler Ölpreise ein aktuelles Thema, Nutzerforschung zu diesem Thema war aber bisher im deutschsprachigen Raum eher dünn gesät. Derartige Forschung ist unbedingt notwendig, da nur eine breite soziale Akzeptanz technischer und organisatorischer Lösungen das mögliche Einsparungspotenzial in Richtung Nachhaltigkeit wirklich ausschöpft.

Zielsetzung

Erhöhen energiesparende Baumaßnahmen neben ihrem Beitrag zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz auch das Wohlbefinden der Nutzer, also den subjektiven Wohnwert? Oder ist eine Wohlbefindenssenkung durch Energiesparen, also mangelnde Akzeptanz durch manche Nutzer, möglich? Die bisher übliche psychologische Energiesparforschung diagnostizierte generelle Werteinstellungen zum Energiesparen und gab Durchsetzungshilfen zu bestimmten Sparmaßnahmen, ließ aber den Überschneidungsbereich Energiesparen und Wohnerleben weitgehend außer Acht.

Nach welchen subjektiven und objektiven Kriterien beurteilen BewohnerInnen energiesparender und konventioneller Siedlungen ihren Wohnstandard? Das Projekt verfolgte eine Wohnwerterhebung, die über einen Methoden-Mix (qualitatives Interview, Semantisches Differential, Siedlungsbegehung) qualitative und quantitative Schätzwerte kombinierte ("triangulierte").

Methodischer Ansatz

Die vorliegende Grundlagenstudie befragte 114 Bewohner von vier energiesparenden und von zu vier konventionellen Neubausiedlungen in Salzburg-Stadt (energiesparend/E = über 10 Landes-Energiepunkte: Glantreppelweg, Stabauergasse, Nissenstraße und Finkenstraße; konventionell/K = 3 Landes-Energiepunkte: Bolaringgründe, Kleßheimer Allee, Gaisbergstraße und Village Nonntal). Die Auswahl der acht Siedlungen erfolgte zusammen mit Landesregierung, SIR und Wirtschaft. Die Neubauten waren im Schnitt seit ein bis drei Jahren bewohnt.

Die umfangreichen Feldinterviews (167 Variablen) wurden von den Fachstudentinnen Marina Wimmer und Verena Trifich durchgeführt. Zusätzlich wurden Siedlungsdaten erhoben, in ausgewählten Siedlungen Begehungen durchgeführt, am Glantreppelweg (AK-Projekt) auch Videointerviews mit Kindern/Jugendlichen und einem Bewohner.

Zufallsstich-proben von 10 bis 100 % der Siedlungsbewohner ermöglichten repräsentative Wohnqualitäts-vergleiche. Diese international übliche Form einer Nutzerstudie (post-occupancy evaluation, P.O.E.), in Wien ab 1993 an einem 25 Siedlungs-Großprojekt praktisch erprobt, erstellt ein umfassendes Stärken-Schwächen-Profil der Gebäude aus Nutzersicht. Entscheidungsträger und Berater, denen bisher nur Architekturkritik, Pressenotizen oder Einzelbeschwerden zur Verfügung standen, gewinnen ein differenziertes Projekt-Feedback.

Ergebnisse

Soziodemografisch unterschieden sich E- und K-Siedlungen kaum, in E gab es mehr Kinder pro Haushalt, in K wurde höhere Betriebskosten berichtet.

Der erste Interviewteil beschäftigte sich mit subjektiver Wohnqualität und Sozialem. Haupt-Qualitätsmerkmal war bei allen Bewohnern die Raumaufteilung und die Zimmerzahl der Wohnung; dies war auch der häufigste Umzugsgrund. Attraktiv macht eine Wohnung vor allem ihre Wohnlage und Ruhe. Heizung und Energie wurden dabei (anders als beim Pkw) kaum genannt. 80-90% wollen sehr lange in ihrer derzeitigen Wohnung bleiben. 25% der K-Siedlungen werden als lärmbelastet geschildert, in E weniger. 60-70% der Bewohner hatten keinen Planungseinfluss, 30-40% davon hätten aber gerne einen gehabt. Defizite bei der Wohngesundheit berichten in K 20% (vor allem Feuchte und Schimmel), in E keiner. Gesundes Wohnen beginnt für die Meisten bei den Materialien und bei Licht und Sonne (auch hier kommt Heizen und Energie kaum vor).

Zum Thema Soziales: In beiden Siedlungstypen sind im Mittel acht Nachbarn persönlich bekannt, 40% haben Nachbarn schon in ihrer Wohnung besucht. Eine "Hausgemeinschaft" sehen in E 50%, in K 30%. Konflikte berichten 10-20%. Unsicher fühlen sich in ihrer Wohnumgebung 5% aus E, 13% aus K (v.a. wegen Sachdelikten). Zufrieden mit ihrer Hausverwaltung sind in 60 bis 70%.

Der zweite Interviewteil widmete sich thematisch Heizen, Energie, Energiesparen. Wie erwähnt, ist das für die Mehrheit trotz Ölschock kein Hauptthema, was an der nach wie vor geringen Information und Transparenz liegt. So sind existierende Warmwasserzähler unbekannt oder es werden nicht existierende phantasiert. 80-90% geben Betriebskosten-Gutschriften an, die Energiekosten sind darin eingebettet, schlecht vergleichbar. In einer K-Siedlung schwankten die Quadratmeter-Heizverbrauchskosten 1999 um 700%. Das scheint nicht zu beunruhigen, denn nur 20-25% wussten im Interview, dass Raumheizung und Warmwasser mit über 50% den Hauptfaktor bei den Energiekosten bilden.

Umweltschutz bedeutet für die befragten Haushalte vor allem Abfalltrennung (kommunal seit Jahren gut beworben) und Stromsparen. Energiesparende Wohnungen machten über 80% ihrer Bewohner nicht umweltbewusster. Der thermische Komfortbereich (Temperaturmittel Wohnzimmer 21°, Schlafzimmer 17-18°) ist in E und K identisch, aber nicht dessen Kontrolle: Während in E-Siedlungen mehr als ein Drittel mit Thermostat und Thermometer regulieren, sind es in K gerade 13%. 25-30% regulieren nach wie vor (in E wie K) "im Blindflug". Weitere Angaben: Teilbeheizung 70%, Nachregelung der Heizung 60-70%, Drosselung 40-60%, vor allem tagsüber. 60% lüften energetisch korrekt per Stoßlüftung, nur 2-6% neigen noch zur energiefressenden Spaltlüftung (Fenster dauernd gekippt).

Ihr Heizungs- und Energiewissen haben die Meisten in Eigenregie und aus den Medien erworben, weit weniger vom Bauträger oder via Behörde/Beratungsstelle. Über 80% der konventionellen Siedler äußern keinen Wunsch nach energiesparendem Wohnen. 60-70% erscheint ihr Wissen über Heizung und Energie "genug", mehr als 80% finden den Umgang damit "einfach", nur ein einziger "schwer" (Interpretation: overconfidence, zu hohe subjektive Sicherheit).

Schlussfolgerungen

Während sich die Projekte Ornezeder und Stieldorf vorwiegend mit energiesparenden Einzelhäusern beschäftigten, war die Untersuchungsgruppe des Projekts Keul in Geschoßwohnbauten, also im verdichteten Wohnen, zu Hause.
Der Projektleiter plädiert in dieser Wohnform für eine kundenfreundlichere und transparentere Information bei Betriebskosten und Energie als weiteren Schritt in Richtung energiesparendes Wohnen. Das Heizkostenabrechnungsgesetz (HeizKG 1992) schreibt zwar vor, jedem Wärmeabnehmer eine Abrechnungsübersicht zu übermitteln und vollständige Abrechnung/Belege aufzulegen, aber wer versteht schon, was dort abgerechnet/belegt ist? Während der kritische Preisvergleich an Lebensmittelwaagen oder Zapfsäulen alltäglich ist, erscheinen Wohnnebenkosten in Österreich vielfach noch als "Schicksal", unklar und bedrohlich. Diffuse Bereiche sind laut Wirtschaftspsychologie anfälliger für Kundenbeschwerden. Leidtragende sind dabei die MitarbeiterInnen der Verwaltungen.
Bei wachsendem Wunsch der Kunden nach Dienstleistungsqualität in allen Bereichen, stark zunehmendem Energieversorgerwettbewerb (Stichwort Liberalisierung) und instabilen Rohstoffpreisen wäre es an der Zeit, Heizkosten, Energiekosten und Betriebskosten nutzerfreundlich zu visualisieren, den Zugriff über Internet zu ermöglichen und über den grafischen Vergleich mit den Vorjahren und der Kostenspanne der Nachbarn die Grundlage für ein modernes Energiekostenbewusstsein zu schaffen.

Downloads

Energiesparprojekte und konventioneller Wohnbau - eine Evaluation

Schriftenreihe 23/2001 A. G. Keul
Deutsch, 81 Seiten, vergriffen

Downloads zur Publikation

Bibliographische Daten

Energiesparprojekte und konventioneller Wohnbau - eine Evaluation
NutzerInnen-Evaluation nach Bezug (Post Occupancy Evaluation) von sieben Energiesparprojekten und konventionellen Wohnbauten
in der Stadt Salzburg

Grundlagenstudie, Endbericht

Auftragnehmer / Autor:
Dr. Alexander G. Keul
Ass.Prof. Institut für Psychologie Universität Salzburg

Berichte aus Energie- und Umweltforschung 23/2001

Wien, Jänner 2001
127 Seiten

Projektbeteiligte

Projektleiter:

Dr.Alexander Keul

Mitarbeiter:

Dr.Anton Kühberger, Psychologe
Verena Trifich, Psychologie-Studentin
Marina Wimmer, Psychologie-Studentin

Kontakt

Dr. Alexander Keul
(Ass.Prof. an der Universität Salzburg)
Angewandte Psychologie
Egger Lienz G. 19/8, A 5020 Salzburg
Tel/Fax: +43 (0)662 453689
E-Mail: alexander.keul@sbg.ac.at