Gründerzeit mit Zukunft - Demonstrationsprojekt 2: ROOFJET Wißgrillgasse - Innovative Modernisierung eines Gründerzeithauses

Ziel des Demonstrationsprojekts Wißgrillgasse war eine hochwertige, energetische Sanierung eines Gründerzeitgebäudes zur Gewährleistung eines zeitgemäßen Wohnstandards mit hohem Wohnkomfort. Mit der Umsetzung eines innovativen Maßnahmenpakets wurden praktikable Lösungen aufgezeigt, die in der Folge bei einer Vielzahl an Gebäuden dieser Art angewandt werden können.

Kurzbeschreibung

Dieses Projekt ist ein Subprojekt des Leitprojekts “Gründerzeit mit Zukunft: Innovative Modernisierung von Gründerzeitgebäuden“

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Ausgangssituation/Motivation

In Österreich stellen Gründerzeithäuser ein erhebliches Segment des Gebäude- und Wohnungsbestands dar. Das Wohngebäude in der Wißgrillgasse wurde um die Jahrhundertwende errichtet und zählt zur Kategorie der Gründerzeithäuser. Diese in der Bauzeit von 1850 bis 1918 errichteten Gebäude weisen nur ein geringes wärmetechnisches Niveau auf und bergen daher ein hohes Einsparpotenzial im Hinblick auf einen CO2-neutralen Gebäudesektor. Mit derzeit üblichen Sanierungsmaßnahmen (Fenstertausch) kann die energetische Performance jedoch nur geringfügig verbessert werden. Mit dem Demonstrationsprojekt Wißgrillgasse wurden Wege aufgezeigt, wie die technischen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Hindernisse bei der innovativen Sanierung von Gründerzeitgebäuden überwunden werden können. Das Demonstrationsprojekt wurde im Rahmen des Leitprojekts „Gründerzeit mit Zukunft“ umgesetzt.

Inhalte und Zielsetzungen

Im Vordergrund des Demonstrationsprojekts stand die gesamtheitliche Modernisierung des Gebäudes unter Anwendung innovativer technischer und organisatorischer Lösungen, zur Gewährleistung eines zeitgemäßen Wohnstandards mit hohem Wohnkomfort. Ziel war, mit der energetischen Sanierung des Bestandgebäudes und dem hocheffizienten Dachgeschoßausbau als Ganzes eine nachhaltige Systemlösung darzustellen, welche eine Multiplizierbarkeit für eine Großzahl von Gründerzeithäusern aufweist. Weiters wurden durch den Einsatz verschiedener dezentraler Lüftungssysteme und der Demonstration einer PV-Anlage für eine Dachgeschoßwohnung als Insellösung, Systemlös­ungen für einzelne Wohneinheiten aufgezeigt, welche bei der Sanierung von Wohnungen und bei einem Dachgeschoßausbau eingesetzt werden können.

Methodische Vorgehensweise

Zur Optimierung der thermischen Qualität der Gebäudehülle und somit zur Senkung des Energiebedarfs für Heizwärme wurde der Dämmstandard aller Außenbauteile erhöht. Im Bereich der gegliederten Außenfassade mussten aufgrund der starken Schäden, welche erst nach Baubeginn sichtbar wurden, der Putz samt den historischen Zierelementen abgetragen werden. Dies ermöglichte die Aufbringung eines Wärmedämmverbundsystems mit einer Stärke von 12cm. Durch Einsatz eines hocheffizienten Dämmstoffes (λ=0,025 W/mK) entsprechen die realisierten 12 cm einem konventionellen WDVS (λ=0,04 W/mK) von ca. 20cm. Um dennoch das historische Erscheinungsbild des Hauses zu erhalten wurden die Zierelemente Fassade nachgebildet. Auch in den Balkonbereichen wurden hocheffiziente Dämmstoffe eingesetzt, um Flächenverluste von Freiräumen möglichst zu reduzieren.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Feuermauerdämmung gelegt, da die Feuermauern bei diesem Objekt einen Anteil an freistehenden Außenwänden von 32% aufweisen. Diesbezüglich wurden spezielle nachbarschaftsrechtliche Vereinbarungen ausgearbeitet um eine Dämmung über die Grundstücksgrenze hinaus zu ermöglichen. Die Fenster wurden ausschließlich mit 3-fach-Wärmeschutzverglasung ausgeführt um in diesem Bereich die Transmissionswärmeverluste möglichst gering zu halten.

Zusätzlich zur hohen thermischen Qualität der Gebäudehülle konnten durch Installation von dezentralen Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung die Lüftungswärmeverluste stark reduziert werden. Die kontrollierte Wohnraumbelüftung leistet den hygienisch erforderlichen Luftwechsel im Raum und garantiert neben der Vermeidung von Feuchteschäden eine ständig gute Innenramluftqualität. Ein weiterer Grund für den Einsatz der Lüftungsgeräte war die erhöhte Lärmbelastung am Standort verursacht durch die Westbahntrasse, welche in unmittelbarer Nähe verläuft.

Die Wißgrillgasse befindet sich nicht im Versorgungsgebiet der Fernwärme. Um dennoch eine ressourcenschonende Aufbringung der benötigten Heizenergie für Heizwärme und Warmwasser zu gewährleisten, entschied sich der Bauträger für eine zentrale Biomasse-Heizanlage. Ein Teil des Energiebedarfs für Warmwasserbereitung und Heizwärme wird durch ca. 30m² fassadenintegrierte solarthermische Kollektoren gedeckt. Nicht als thermische Maßnahme zu werten, jedoch als erforderlichen Akt für die Erhaltung der Gebäudesubstanz, zeigte sich die Trockenlegung des Kellers. Diese stellte sich als sehr aufwändig heraus, war jedoch essentiell um eine trockene Lagerung der Holzpellets zu gewährleisten.

Ein wesentlicher Faktor, welcher die Umsetzung solcher Projekte überhaupt erst ermöglicht, ist die Schaffung eines attraktiven Wohnraums im Dachgeschoß. Bei diesem Projekt konnte aufgrund baulicher Umstrukturierung des Bestandsgebäudes und dem 2-stöckigen Dachgeschoßausbau im Niedrigstenergiehausstandard, eine zusätzlich Nutzfläche von annähernd 800m² geschaffen werden.

Ergebnisse

Ausgehend vom Gebäudebestand mit einem Heizwärmebedarf von 186 kWh/m²a wurde durch die Ausführung der hochwertigen thermischen Modernisierung der Heizwärmebedarf auf 28 kWh/m²a gesenkt. Dies bedeutet eine Sanierung mit Faktor 7, stellt den Gebäudestandard eines Niedrigstenergiehauses dar und weist somit einen besseren Standard als herkömmliche Neubauten auf. Nicht nur mit der thermischen Qualität des Gebäudes und dem hohen Anteil der Versorgung durch erneuerbare Energieträger, sondern auch aufgrund des hohen Wohnkomforts und der ansprechenden Architektur und Freiraumgestaltung kann das Gebäude überzeugen. Unterstrichen wird der Erfolg des Projekts durch die hohe Zufriedenheit der Bewohner und das große Interesse von Fachpublikum an Besichtigungen des Gebäudes.

Ausblick

Um Aussagen über die tatsächliche Performance des Gebäudes treffen zu können wird das Objekt im Rahmen des Leitprojekts „Gründerzeit mit Zukunft“ (www.gruenderzeitplus.at) einem technischen Energieverbrauchsmonitoring für die Dauer von 2 Jahren unterzogen. Neben den Energieverbräuchen werden Raumtemperatur und Raumluftqualität sowie die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Lüftungsgeräte evaluiert. Darüber hinaus werden die Nutzerzufriedenheit und die Wirtschaftlichkeit der Sanierungsmaßnahmen untersucht.

Die thermisch-energetische Qualität dieser Beispiel-Sanierung mit innovativen technischen und organisatorischen Lösungen zeigt Wege auf, wie die Sanierung von Gründerzeitgebäuden einen Beitrag zu einem CO2-neutralen Gebäudesektor leisten kann.

Publikationen

ROOFJET Wißgrillgasse

Sanierung Gründerzeithaus Wißgrillgasse mit innovativem Haustechnikkonzept
Schriftenreihe 34/2012 H. J. Ulreich, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 90 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleiter

Mag. Hans Jörg Ulreich
Ulreich Bauträger GmbH, Wien

Projekt- und Kooperationspartner

  • Ing. Robert Gassner
    Gassner und Partner GmbH, Wien

Kontaktadresse

Mag. Hans Jörg Ulreich
Ulreich Bauträger GmbH
Obere Amtshausgasse 20-24, 1050 Wien
Tel.: +43 (1) 7866110
Fax: +43 (1) 7866110-10
E-Mail: office@ulreich.at
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