WHISCERS. Whole House In-Situ Carbon & Emission Reduction Solution

Whiscers ist ein System für die Installation von Innenwanddämmung in Bestandsgebäude, ohne dass der Nutzer für diese Umbauphase ausziehen muss. Technologisch geht es um das Bauaufmaß der inneren Wandgeometrie mit Hilfe eines Laser-Gerätes, das eine schnelle und hochgenaue Messung ermöglicht. Die Informationen werden elektronisch aufbereitet und auf eine Computer-gesteuerte Off-Site-Schneide­maschine geschickt, die eine schnelle, präzise und passgenaue Fertigung der benötigten Innenwandelemente ermöglicht.

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Ausgangssituation/Motivation

WhiscersTM (Whole House In-Situ Carbon and Energy Reduction Solution) ist ein System für die Installation von Innenwanddämmung mit möglichst geringem Aufwand und geringer Beeinträchtigung für den Nutzer.

Der Grundgedanke des bestehenden Systems ist eine schnelle, wirtschaftliche und effektive thermische Sanierung von Räumlichkeiten. Um eine effektive und schnelle Ausführung sicher zu stellen, wird die Gebäudegeometrie der betroffenen Außenwände im Innenraum mit einem Laser-Distanzmessgerät aufgenommen. Diese Geometriedaten werden anschließend von einem computerbasierten CAD/CAM-System an eine automatisierte CNC-gestützte Werkstattfertigung weitergeleitet, die passgenaue Innenwanddämmungssegmente erstellt. Diese Elemente werden vor Ort am Objekt verlegt und gewährleisten eine saubere und vor allem schnelle Montage, ohne dass der Nutzer für den Sanierungszeitraum die Wohnung verlassen muss.

Das Patent wurde bei der Sanierung eines dreistöckigen, viktorianischen Reihenhauses (Sozialbau) in Bertram Street, Camden im November 2010 vorgestellt. Die Energieeffizienz als auch die Treibhausgasemissionen haben sich in den Wohnungen, in denen die Innendämmung installiert wurde, deutlich verbessert. Heizkosten reduzierten sich um ca. 600 £ pro Jahr, die Kohlenstoff-Emissionen konnten um 77% gesenkt werden.

Inhalte und Zielsetzungen

Wien verfügt über ein großes Potenzial hinsichtlich der Sanierung im Gebäudebestand. Denn gerade Altbauten verlieren viel Wärmeenergie über undichte und ungedämmte Außenwände. Der Wärmeschutz dieser Wände erreicht bei weitem nicht die heutigen Standards der OIB Richtlinie 6:2015. Es stellt sich die Frage, wie man die reich verzierten Fassaden, ein wichtiges kulturelles Erbe und Spiegelbilder der baugeschichtlichen Entwicklung der Gründerzeitbebauung ohne Beschädigung sanieren kann, ohne ihr architektonisches Erscheinungsbild zu verlieren.

Für Österreich soll das WhiscersTM System adaptiert und an die hiesigen Bedingungen angepasst werden. Insbesondere soll der Ersatz des in England verwendeten Hartschaummaterials überprüft werden. Vorgesehen ist, dass nachwachsende Ressourcen, insbesondere Holz und Holzprodukte, aber auch mineralische Alternativen, die die innere Dämmschale ausbilden, untersucht werden. Ziel ist zudem die Verbesserung des hygrothermischen Verhaltens durch Auswahl geeigneter Materialien und Konstruktionen, sowie eine weitere Optimierung des Sanierungsprozesses - um eine nachhaltigeres ID-System zu entwickeln. In einem holistischen Ansatz werden außerdem Wärmebrückenprobleme, verursacht durch geometrische Bedingungen und anschließende Bauteile, untersucht. Die Problematik der Balkenköpfe im Wandauflager wird hier nicht näher behandelt, da bereits weitere aktuelle Forschungsarbeiten sich speziell dieser Thematik widmen [1] [2] [3] [4].

Entwickelte Varianten werden durch hygrothermische Simulationen bewertet und optimiert und endgültige Varianten im Wiener Altbau angebracht und in situ einem hygrothermischen Monitoring unterzogen.Ein umfangreicher Endbericht liegt vor, wichtigste Erkenntnisse sollen jedoch in diesem Ergebnisbericht zusammengefasst werden.

Methodische Vorgehensweise

  • Erstellung eines State-of-the-Art Berichtes, welcher jegliche bauphysikalischen Grundlagen, Stand der Forschung zum Thema Innenwanddämmungssystemen, Untersuchung geeigneter Dämmmaterialien und Technologien der Installation von Innenwanddämmsystemen in Altbauten beinhaltet.
  • Kritische Überprüfung der bestehenden WhiscersTM Lösung mit dem Ziel, neue Lösungen für die Kompensation von Wandverformungen in bestehenden Altbestandgebäuden zu entwickeln.
  • Entwicklung von Systemlösungen, mit Verwendung von Dämmmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere aus Holzfaserstoffen. Ermittlung bauphysikalischer Kennwerte und Festlegung möglicher Grenzbereiche ihrer Anwendung. Computergestützte hygrothermische Simulation mit Wufi Pro (V 5.2), einem Programm zur realitätsnahen instationären Berechnung des gekoppelten ein- und zweidimensionalen Wärme- und Feuchtetransports in mehrschichtigen Bauteilen. Überprüfung der Varianten in Kleinteilversuchen.
  • Modifikation der Varianten auf Basis der Erkenntnisse aus Versuchen und Simulationen. Entwicklung von vier finalen Prototypen als Machbarkeitsstudie und zur Überprüfung der grundlegenden technischen Anforderungen: Eine geklebte/gemörtelte Variante, stark an die original WhiscersTM Lösung angelehnt, sowie drei Varianten mit Holzweichfaserplatten verschiedener Dichte, auf Druckpressung durch verschiedene raumseitige Anpressplatten.
  • Einbau der vier Lösungsvarianten in zwei Wiener Altbauten und Überprüfung der Applikationsmethode.
  • Monitoring der eingebauten Systeme, um Performance und bauphysikalische Probleme zu detektieren und die Simulationsergebnisse aus dem Computermodell zu validieren.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Das WhiscersTM Verfahren für Österreich zu adaptieren und Dämmstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe einzusetzen, ist Ziel des Forschungsprojektes.

Eine der Varianten, V2-G (vgl. Abb. 3) zum Beispiel, umgesetzt als eine dreischichtige, Innendämm-Verbundplatte, wirkt durch Materialwahl und Konstruktion bekannten Problempunkten hinsichtlich Innendämmung entgegen. Entwickelt auf Basis verschieden dichter Holzfaserplatten, um eine bestmögliche Anpassung des ID-Systems auf die Unebenheiten der Bestandswände zu ermöglichen, schließt das diffusionsoffene System mit einer als Trockenputz angesehenen Gipsfaserplatte zur Anpressung raumseitig ab. Dies ermöglicht eine komplette Ausführung in Trocken­bauweise, was Vorteile gegenüber einer Klebevariante aufzeigt, die im selben Untersuchungsraum etwa 2,5 Monate benötigt, um den Feuchte­eintrag durch den Klebemörtel auszutrocknen. Der Kleber stellt ungewollt eine langfristige Feuchtebelastung für das Dämmmaterial dar. Die Verwendung der bestandswandseitigen, flexiblen Schicht bringt zudem eine Optimierung des Sanierungsprozesses mit sich, in dem das Aufbringen einer Ausgleichsschicht (weiterer Feuchteeintrag) der Unebenheiten wegfallen kann.

Die ID-Verbundplatte V2-G verbessert die thermischen Eigenschaften von typischen Wiener Altbau-Bestandswänden bei Wärmedurchgangs­koeffizienten von bspw. 1,55W/m²K auf Werte < 0,35W/m²K und verringert die Transmissionswärmeverluste über die Außenwand somit um mehr als das Vierfache. Ökologisch wird mit der Wahl von Holzfaser ein geeigneter nachwachsender Baustoff als Wärmedämmung eingesetzt.

Variante V1-H (vgl. Abb. 3) wurde als direkte Übersetzung des WhiscersTM Systems (2-schichtiges Paneel), jedoch mit ökologischen Materialien umgesetzt. Als Raumabschlussplatte besitzt sie als Prototyp eine unverputze Holzwolleplatte und soll so als schallabsorbierende Oberfläche speziell in schallmäßig belasteten Räumen Anwendung finden. Im Prüfraum, der als Seminar- und Schulungsraum genützt wird, ergibt sich ein positiver Effekt auf die Akustik des Raumes.

Mit den Varianten V2-G und V2-P (vgl. Abb. 3) wurde beabsichtigt, sich speziell die Vorteiledes Baustoffes Lehm zu Nutze zu machen, somit gute Wärmespeicherfähigkeit als auch denFeuchtespeichereffekt zu erhalten. Lehm kann Feuchtigkeit sehr gut aufzunehmen (bis zu neunmal mehr als Gips), so bildet sich ein Klimapuffer an der Wand, der Feuchte aufnimmt und sie bei geringer Luftfeuchtigkeit wieder abgibt.

Anhand hygrothermischer Simulationen als auch anhand hygro­thermischen Monitorings wird das instationäre Verhalten der Dämmung auf typischen Bestandswänden überprüft und über das Kondensations­verhalten auch Schimmelpilzbildung und Verrottung der verwendeten organischen Baustoffe untersucht. Sowohl Simulation als auch Monitoring weisen dieTauglichkeit der auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Varianten als Innendämmsystem nach, wobei im Vergleich Variante V1-H durch das Aufbringen des feuchten Klebers temporär das höchste Schimmelpilzpotential aufweist.

Ausblick

Durch das Forschungsprojekt konnte die Tauglichkeit von auf Holzfaser basierenden Innendämm-Verbundelementen und auch die Praktikabilität von vorgefertigten Elementen an vier Beispielen nachgewiesen werden. Der Vorteil der schnellen und sauberen Applikation gegenüber herkömmlichen Innendämmsystemen bei gleichzeitiger Anwendung ökologischer Materialien für eine thermische Sanierung erscheint gesamtheitlich sinnvoll.

Das Messequipment wurde trotz Erreichung des Projektziels weiterhin in den Messräumen behalten, die Prototypen können demnach weitere Daten, evtl. auch über kritischere Winter(Heizperioden) und mit höheren Innenraumluftfeuchteverhältnissen liefern.

Nicht Teil des Projektes, aber dennoch vorgesehen sind materialtechnische Untersuchungen im Labor, sobald der Messstand auf entsprechende Größe umgebaut wurde. Darauf folgen die Erstellung der Feuchtespeicherfunktion der einzelnen Varianten, als auch die Bestimmung des Diffusionswiderstands.

Weiterer Forschungsbedarf würde sich in der Entwicklung eines hinterfüllten Systems basierend auf Holzwerkstoffen bzw. Zellulose ergeben, sowie ein spezieller Umgang mit Wärmebrücken wie Fensterlaibungen, evtl. mit Überlegungen von Verglasungen in der Innendämmebene, um so Wärmebrücken-Laibungsprobleme zu umgehen. Auch die statische Ertüchtigung von Bestandsgebäuden durch die Dämmelemente, und eine ökologische Betrachtung über die Produktionsphase hinaus (Wiederverwertung und Separierung der Schichten), welche in diesem Kontext nicht mehr ausgearbeitet werden konnte, stellt eines von vielen möglichen folgenden Untersuchungsfeldern dar.

Es ist jedoch auch im aktuellen Stand des Projektes ökonomisches Potential bei Vermarktung möglich – wie es auch United House mit dem Originalsystem in England beweist. Die Erstellung einer detaillierten Marktvision stellt den ersten Schritt dar. Eine weitere Zusammenarbeit und Produktvermarktung mit Fa. Pavatex wäre anzudenken.

Publikationen

Whole House In-Situ Carbon & Emission Reduction Solution

WHISCERS
Schriftenreihe 28/2015 J. Nackler, K. Saleh Pascha, A. Fadai, W. Winter, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 42 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleiter

United House, Goldsel Road, Swanley, Kent, BR8 8EX, UK

Projekt- und Kooperationspartner

  • The Sustainable Energy Academy, Davy Avenue, Knowlhill, Milton Keynes, MK5 8NG, UK
  • The London Borough of Camden, Camden Town Hall, Judd Street, London, WC1H 9LX, UK
  • More Valley Housing Association, Regent House Station Approach Dorking Surrey RH4 1TF, UK
  • The University of Athens, 6 Chr. Lada Str., Athens, Greece
  • Vienna University of Technology, Institut für Architekturwissenschaften; Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau, Karlsplatz 13/259.2, A-1040 Wien, Austria

Kontaktadresse

Vienna University of Technology, Institute of Architectural Sciences, Structural Design and Timber Engineering
Prof. Wolfgang Winter
A-1040 Wien, Karlsplatz 13/259.2
Tel.: +43 (1) 58801 25401
Fax: +43 (1) 58801 25499
E-Mail: office@iti.tuwien.ac.at
Web: http://www.iti.tuwien.ac.at/